Der Blick auf die Fußball-WM 2014 hat durch die Proteste seit Juni letzten Jahres eine neue Richtung genommen. Außgerechnet im fußballbegeisterten Brasilien gingen während des Confederations Cup tausende Menschen auf die Straße, um gegen soziale Missstände, Korruption und die Auflagen der FIFA zu demonstrieren. Nur noch die Hälfte der Brasilianerinnen und Brasilianer spricht sich für die WM im eigenen Land aus. Was ist los im Land des Fußballs?
Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich ein Szeneabend Legio Augusta und des Fanprojekts Augsburg am 27. März 2014, der über das Host City Programm der SKEW von Engagement Global gefördert wurde. Im Zuge der Veranstaltung warf Thomas Fatheuer, der 18 Jahre in Brasilien gelebt und dort als Büroleiter der Heinrich Böll Stiftung gearbeitet hat, einen kritischen Blick auf verschiedene Themen und Fragestellungen rund um die bevorstehende WM und diskutierte dazu mit etwa 25 anwesenden Fans.
Vortrag und Diskussion drehten sich unter anderem um die brasilianische Protestbewegung im Umfeld des Confederations Cup im Sommer letzten Jahres. Enorme soziale Ungleichheiten im Land, mangelnde Ressourcen im Bildungs- und Gesundheitssystem sowie Preiserhöhungen im öffentlichen Personennahverkehr führten angesichts der hohen öffentlichen Investitionen in Infrastrukturprojekte für die Fußball-WM zu den ersten Protesten. Die von der FIFA geforderten hohen Qualitätsstandards, die "Padrão FIFA", wurden dabei zu einem zentralen Schlagwort der Protestbewegung. Solche Standards wünschten sich die Menschen eher in Bezug auf das öffentliche Gesundheits- und Bildungswesen.
Weiterhin interessierten sich die anwesenden Fans für den Um- und Neubau der Stadien in den zwölf brasilianischen Austragungsstädten. Während in einigen Stadien, beispielsweise in Salvador, Modernisierungen notwendig gewesen wären, seinen andere Bauprojekte in der Bevölkerung sehr umstritten, etwa das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro, das erst im Zuge der panamerikanischen Spiele 2007 auf einen modernen Stand gebracht worden war, erklärte Fatheuer. Zudem sei für einige der Stadien keine langfristige Nutzung vorherzusehen, da sie in Städten ohne nennenswerte Fußballkultur oder ohne Erstligisten angesiedelt seien wie in Manaus, Cuiabá und Brasília. Infrastrukturmaßnahmen wie der Ausbau des U-Bahn Netzes in Rio und die Modernisierung des Flughafens in São Paulo kämen zwar einigen Bevölkerungsgruppen zugute, diese seinen aber ohnehin privilegiert, so dass bestehende Ungleichheiten weiter verstärkt würden, so Fatheuer.
Auch der im Vorfeld der WM verschärfte Einsatz von Militärpolizei und Armee in den oftmals von Drogenbanden kontrollierten Favelas war ein Thema. Fatheuer erläuterte, dass in Rio seit 2008 eine sogenannte "Befriedungspolizei" (UPP) eingesetzt wird, die feste Polizeistationen in den Favelas hat und so die Kontrolle der Drogenbosse eindämmen soll. Der Einsatz der UPP sei anfangs mit großen Hoffnungen verbunden gewesen, aber durch die mutmaßliche Folterung und Ermordung eines Favela- Bewohners durch die UPP im Juli dieses Jahres enttäuscht worden. Außerdem gerieten Mitglieder der UPP in den letzten Monaten zunehmend ins Visier von Kriminellen.
Der Szeneabend in Augsburg war der erste in einer Reihe von geplanten entwicklungspolitischen Bildungsveranstaltungen mit Fanprojekten in den deutschen Austragungsorten der Weltmeisterschaften 2006 und 2011, die durch das Host City Programm unterstützt werden.